Hinting

Für eine gute Darstellung von Buchstaben ist eine möglichst hohe Auflösung des Ausgabemediums von großer Bedeutung, wobei die Auflösungen, je nach Gerät, äußerst unterschiedlich ausfallen. Insbesondere bei Medien mit geringer Auflösung — der Bildschirm ist das beste Beispiel dafür — entsteht die Problematik der akkuraten Darstellung kleinerer Schriftgrade. Je geringer die Auflösung, umso weniger Punkte/Pixel sind vorhanden, mit denen ein Buchstabe bzw. seine Umrißlinien beschrieben werden kann. (-> Kapitel 4.10) Da Pixel von Natur aus eine quadratische Form aufweisen, wird die Darstellung von z.B. Rundungen durch die Aneinanderreihung von Pixeln nachgeahmt. Dabei ist, in Abhängigkeit des Schriftgrades, der Buchstaben-Umrißlinien und der Auflösung des Ausgabemediums, die Entscheidung zu treffen, welche Pixel ein- bzw. ausgeschaltet werden sollen. Natürlich ist somit nur eine Annäherung der Form der Buchstabenteile möglich. Um nun auch aus typografischer/optischer Sicht eine möglichst genaue und treue Wiedergabe zu ermöglichen, wird das Hinting-Verfahren benutzt.

Das Hinting stellt eine Methode dar, mit der das Ein- und Ausschalten der Pixel genau definiert wird. Somit soll die bestmögliche Darstellung kleiner Schriftgrade auf Medien mit geringer Auflösung gewährt werden. Das Hinting unterstützt die Entscheidung des Schriftgestalters, welche Bildpunkte aktiviert werden sollen, wenn die Umrißlinie zwischen zwei Pixeln vorkommt. Da die verschiedensten Medien mit ihren Pixelrastern nur ganzzahlige Pixelwerte erlauben, entstehen durch die Möglichkeit der Schriftskalierung mathematische Rundungsfehler bzw. Ungenauigkeiten. Diese resultieren dann in einer schlechten Darstellung der Buchstaben — Balkenstärken gehen verloren, Weißräume sind ungleichmäßig, oder es entstehen Löcher. (Abb. 4.7-1) 88


____________________
Abb. 4.7-1
1 - Buchstabe in hoher Auflösung
2 - Durch einfache mathematische Aufrundung entstehen Verzerrungen
3 - Hints ermöglichen korrekte Balkenstärken und Weißräume

Da normalerweise die Umrißlinien der Buchstaben/Zeichen für das Aussehen der Bitmap-Darstellung ausschlaggebend sind, ergibt sich die Notwendigkeit der Veränderung der Umrißlinien, bis ein gewünschtes Bitmap- bzw. Pixelmuster entsteht. Hints sind eigentlich mathematische Instruktionen die einem Font beigefügt werden, um diese Veränderung in bestimmten Graden zu ermöglichen. Technisch gesehen stellen Hints Operationen dar, um die Koordinaten der Kontrollpunkte der Umrißlinien beim Umgrößen, vor dem Aufrastern zu verändern. 89

Desweiteren ermöglichen Hints eine Vereinheitlichung der Zeichen bezüglich ihrer Balkenstärken, ihrer Höhe, ihrer Grundlinie, ihrer Vor- und Nachbreiten, usw. Hints werden auch als Software betrachtet und sind somit auch als solche geschützt. Um diesen rechtlichen Gegebenheiten Genüge zu tun und trotzdem Fonts transportieren zu können, benutzt z.B. TrueDoc nicht die Hints des Originalfonts, sondern erstellt eigene. 90

Hinting ist eine äußerst komplizierte und zeitraubende Aktion und wird in Abhängigkeit der Fontformate unterschiedlich implementiert. Beim Type 1 Fonts wird von suggestiven Hints und bei TrueType Fonts von deklarativen Hints bzw. Instruktionen gesprochen. Es gibt jedoch technische Unterschiede zwischen diesen zwei Formaten. Das TrueType-Hinting (Abb. 4.7-2) 91 ist dem des Type 1 überlegen, da es Instruktionen nach oben, nach unten oder diagonal erlaubt. Beim Type 1 ist diagonales Hinting nicht möglich. Die Daten der TrueType Umrißlinien und des Hinting befinden sich in einer Datei, während PostScript Type 1 dafür zwei Dateien benötigt — eine für die Umrißlinien-Daten und eine für das Hinting. Diese zwei Dateien sind jedoch oft kleiner als die der TrueType, insbesondere bei sehr komplexen Instruktionen.


____________________
Abb. 4.7-2
Links ‚Hints‘ für die Type 1 Fonts, rechts ‚Instruktionen‘ für die TrueType Fonts


 

TrueType Hinting

Im Zusammenhang mit TrueType-Schriften wird von sogenannten Instruktionen gesprochen, die vom TrueType-Interpreter eingelesen und bearbeitet werden. Die TrueType Instruktionen stellen eine Vielzahl an Kommanden dar, die der Schriftgestalter/Schrifthersteller vorgibt, um zu spezifizieren, wie die Zeichen dargestellt werden sollen. Sie erlauben die Einhaltung der Zeichenform auch auf Ausgabegeräten mit niedriger Auflösung durch die Konturanpassung (engl. Grid-fitting). Dabei werden, wie schon erwähnt, die Kontrollpunkte der Umrißlinien der Zeichen, durch Vorgabe von Instruktionen, bewegt. Es wird gesagt, daß solche Punkte durch Instruktionen berührt werden. Bewegt werden sie dabei nicht tatsächlich — durch die Vorgaben der Instruktionen reagieren sie nur auf diese Weise bei der Darstellung.

Das folgende Beispiel zeigt, wie die Änderung der Umrißlinie des Zeichens bei einer bestimmten Größe für bessere Darstellung sorgt. (Abb. 4.7-3) 92


____________________
Abb. 4.7-3
Darstellung des Buchstabens ohne und mit Konturanpassung

Trotz der Konturanpassung können Lücken (Abb. 4.7-4) 93 innerhalb des Rasterbildes entstehen (dropouts) — insbesondere bei der Schrifttransformation in kleinen Graden. Um diese zu verhindern, wird der Scan-Converter über die Instruktionen in den sogenannten Scan-Control-Modus umgeschaltet.


____________________
Abb. 4.7-4
Darstellung des Buchstabens ohne und mit Dropout-Kontrolle

Um zusätzliche Pixel einzuschalten hat der Scan-Control-Modus zwei Varianten:

  1. Wenn die Verbindungsstrecke zwischen zwei Pixelmittelpunkten von zwei gegenläufigen Konturen geschnitten wird und keines der beiden Pixel bereits nach dem einfachen Verfahren eingeschaltet ist, dann wird bei übereinanderliegenden Pixeln das untere, bei nebeneinander liegenden Pixeln das linke eingeschaltet.
  2. Gleich wie die 1. Regel, aber mit folgender Einschränkung: Ein Pixel wird nur eingeschaltet, wenn die benachbarten Pixelverbindungen, die mit der betrachtenden Verbindungslinie ein Quadrat bilden, ebenfalls von den gegenläufigen Konturlinien geschnitten werden.
Die zweite Variante schließt nur echte Lücken innerhalb der geschlossenen Fläche, setzt aber keine Pixel am Abschluß von Buchstabenteilen. 94

Wie schon erwähnt, beinhalten TrueType Fonts sogenannte deklarative Hints. Die Aufrasterung der Zeichen hängt somit direkt von der Qualität dergleichen ab, nicht von der Aufrasterungseinheit Diese Tatsache impliziert, folgendes:

  1. die Menge der Berechnung findet während des Schriftherstellungsprozeßes statt,
  2. wegen der Intelligenz der Hints/Instruktionen, können die Schrifthersteller das tatsächliche Aussehen der Schrift bestimmen,
  3. da die Darstellungsqualität der TrueType-Fonts direkt von den Hints abhängt, können Benutzer ihre Schriften upgraden, ohne in neue Hard- oder Software (neue Rastereinheiten oder Drucker ROM) investieren zu müssen. 95
Eine weitere Besonderheit sind die sogenannten ‚Delta-Hints‘. Diese Instruktionen werden in Abhängigkeit von der Schriftgröße während der Font-Herstellung erzeugt. Insbesondere bei kleineren Schriftgraden sind diese Delta-Hints von großer Bedeutung.
 
 

Type 1 Hinting

Auch bei Type 1 Schriften ist es möglich, das Hinting-Verfahren anzuwenden. Im Gegensatz zu TrueType, werden suggestive (vorschlagende) Hints benutzt. Das bedeutet, daß die Interpretation der Hints der Fähigkeit des PostScript Interpreters (also einem RIP - Raster Image Prozessor) überlassen werden. Für gutes Hinting ist ausschlaggebend, wie bzw. wo der Schrifthersteller die Punkte für die Beschreibung der Umrißlinien setzt — werden z.B. die Extreme der Rundungen durch zusätzliche Punkte definiert oder nicht.

Desweiteren wird unterschieden zwischen Hints auf Font- und auf Zeichenebene. Sie sorgen für das gleichmäßige Aussehen von Buchstabenelementen – senkrechte Abstriche, Querbalken, Rundungen, Bögen, Serife, diagonale Striche usw. "Die Einhaltung dieser typografischen Merkmale ist für eine gute Darstellung wichtiger als die ‚exakte‘ Umsetzung der Umrißlinien in ein ganzzahliges Pixelraster." 96
 
 

Hints auf Fontebene

"Sie betreffen … den ganzen Font (indem sie etwa eine einheitliche Strichstärke für alle Zeichen fordern) … " 97 Durch Digitalisierungsfehler oder bewußte Variation der Strichbreite verschiedener Buchstaben unterscheiden sich diese geringfügig. Bedingt durch Rundungsfehler beim Errechnen der Werte, fällt dies bei geringer Auflösung und kleinen Schriftgraden unangenehm auf. "Angenommen, ein Balken hätte bei 10 Punkt Schriftgröße rechnerisch die Breite 1,4 Pixel und der andere 1,6 Pixel, so müßten sie mit einem bzw. zwei Pixeln gerastert werden. Das ist aber ein Unterschied von einhundert Prozent ... Sollen die gleichen Zeichen aber bei 100 Punkt ausgegeben werden, sind die Balken 14 bzw. 16 Pixel breit, und dieser Unterschied soll (und kann) auch sichtbar werden. Es ist also eine Logik nötig, die die Unterschiede bei kleinen Fonthöhen ignoriert und bei großen Fonthöhen umsetzt." 98 Verschiedene Parameter werden hierfür benutzt, um auf solche typografische Feinheiten eingehen zu können:

  1. StdHW bzw. StdVW - horizontale und vertikale Balkenbreiten
  2. StemSnapH bzw. StemSnapV - weitere häufig benutzte Balkenbreiten
  3. BlueValues - Ausdehnung der Ausrichtungszonen (Überhänge)

 

Hints auf Zeichenebene

Diese Hints beschreiben "… verschiedene Stellen innerhalb eines Buchstabens ("die beiden senkrechten Striche beim H sollen gleich breit werden")." 99 Sie werden benutzt, um die horizontalen und vertikalen Strichstärken, Serife, Rundungen usw. festzulegen. Dargestellt werden sie in Fonteditoren in Form von Pfeilen oder Balken.

"Der Rasterer wertet sie wie folgt aus (am Beispiel eines horizontalen Hints, dargestellt durch einen vertikalen Pfeil oder Balken): Liegt ein Punkt der Umrißlinie auf der gleichen y-Koordinate wie der Anfang des Pfeils, so wird er auf einen Gitterpunkt verschoben. Dann werden alle Punkte mit der gleichen y-Koordinate des Endpunkts des Pfeils mit einem Fehler von maximal einem halben Pixel auf einen Gitterpunkt verschoben. Dabei werden zusätzlich die Parameter StemSnapH und StdHW berücksichtigt." 100

Desweiteren kommt bei bestimmten Schriften noch das Flex-Mechanismus zum Einsatz. Es handelt sich dabei um die Möglichkeit, flache Kurven als Geraden darzustellen, wenn nicht genügend Pixel zur Darstellung vorhanden sind. Solche flachen Kurven sind z.B. vorhanden bei der Schrift Optima, sowie bei den Serifen der Garamond oder der Palatino.

"Ein weiterer Typ von Hints nennt sich Force-Bold. Wenn kleine Schriftzeichen mit einer kleinen Auflösung, z.B. auf dem Bildschirm, gerastert werden, kann es sein, daß die Stämme fetter Zeichen nur ein Pixel stark sind. Diese Zeichen erscheinen somit gleich wie magere Zeichen und können nicht mehr von jenen unterschieden werden. Die Hints Force-Bold sorgen dafür, daß ein fettes ‚a‘ immer dicker als ein normales ‚a‘ aussieht." 101
 
 


ZURÜCK     INHALT     WEITER