Eine Frage des Formats

Grundsätzlich gilt, daß sich die Outline-Fontformate beim elektronischen Publizieren weitestgehend etaliert haben. Neben den heute meist verbreiteten Fontformaten TrueType und Type 1, haben auch andere Hersteller wie Bitstream, Atech und MicroLogic skalierbare Fontformate entwickelt, die sich jedoch nicht durchsetzen können. Somit stellt sich die Frage, welches der beiden Fontformate ‚besser‘ ist. Die Antwort hierzu ist jedoch alles andere als einfach und muß aus verschiedenen Winkeln betrachtet werden. Beide Formate, TrueType und Type 1, bestehen aus Algorithmen bzw. von Instruktionen, mit denen ein Outline-Font in Punkte bzw. Pixel für die Darstellung aufgerastert wird. Hauptunterschiede dieser beiden Formate sind technischer, ‚philosophischer‘ und meiner Meinung nach, langfristiger unternehmens-politischer Natur.
 
 

Technisch

Technisch gesehen ist das Hinting Verfahren der TrueType Technologie der Type 1 überlegen, da es ‚Instruktionen‘ in folgende Richtungen erlaubt - nach unten, nach oben und diagonal. Type 1 erlaubt nur ‚hints‘ nach oben und unten. Desweiteren befinden sich diese Daten bei TrueType in nur einer Datei; bei Type 1 sind es zwei Dateien. Jedoch benutzen die zwei Dateien der Type 1 zusammen weniger Speicherplatz als die eine der TrueType — insbesondere bei komplexen Instruktionen. Im Zusammenhang mit Apple und Microsoft, sei noch zu beachten, daß Type 1 Schriften den ATM benötigen — TrueType hingegen ist Bestandteil der jeweiligen Systeme.
 
 

Philosophisch

Philosophisch gesehen spielen die Unterschiede kaum noch eine Rolle. Grundsätzlich gilt, daß, wenn TrueType und Type 1 Schriften mit gleichen Bedingungen (gleichem OS, gleichem Ausgabegerät) ausgegeben werden, die Unterschiede minimal, bzw. für die meisten Betrachter nicht sichtbar sind. Die Benutzung des jeweiligen Formates hängt heutzutage im Wesentlichen von der Entscheidung des Benutzers ab. Type 1 ist immer noch das Schriftenformat, welches von Belichtungsstudios und professionellen Schriftenanwendern favorisiert wird. TrueType hat sich im Heimbereich etablieren können, da es als Bestandteil der Systeme herkommt.
 
 

Unternehmens-politisch

Um langfristige unternehmens-politisch Gründe verstehen zu können, soll die Entwicklung dieser beiden Formate in den 80-er Jahren betrachtet werden. PostScript Type 1 ist eine Entwicklung von Adobe Systems und galt einige Zeit als Standard für skalierbare Schriften. Es war das erste Schriftenformat mit Umrißlinien, wodurch freies Umgrößen möglich wurde. Benötigt wurde also nur noch eine Datei, um alle Schriftgrößen darstellen zu können, statt mehrere Bitmap-Dateien für die jeweiligen benötigten Größen. Da Adobe das Format geheim hielt und dadurch eine Monopolstellung besaß, entwickelte die Apple Computer Corporation im Gegenzug ihr eigenes Outline-Fontformat — TrueType — welches später von Microsoft erworben und weiterentwickelt wurde.

TrueType ist mittlerweile Bestandteil beider Systeme MacOS und Windows (ab Version 3.1) und sorgt seitdem für die Bildschirm- und die Druckerausgabe. Erst die Einführung von TrueType veranlaßte Adobe das geheime Type 1 Schriftenformat offenzulegen und es anderen Herstellern zur Verfügung zu stellen, um Type 1-kompatible PostScript-Clones entwickeln zu können. Um in diesem Rennen die Nase vorne zu behalten, führte Adobe den ATM ein (-> Kapitel 4.3), der sich als Treiber zwischen Betriebssystem und Anwendungsprogramm klemmt. Darüber hinaus versorgt er alle (auch nicht PostScript-fähige) Drucker mit den gerasterten PostScript-Schriften. TrueType und Type 1 Fonts haben sich mittlerweile beide auf verschiedenen Ebenen etablieren können — Type 1 bei den Belichtungsstudios und im professionellen Bereich, TrueType im Low-Cost- und Heimbereich. 68

Wie sehr Technologiehersteller von anderen Mitgliedern auf dem Markt abhängen, erlebte auch die GX-Technologie von Apple auf eigener Haut (-> Kapitel 3.8). Eine, aus meiner Sicht, hervorragende Idee hat sich nicht durchsetzen können, nichtzuletzt wegen ihrer Plattformabhängigkeit. Softwarehersteller brachten somit wenig Interesse auf, in die Entwicklung von Anwendungsprogrammen für nur eine Plattform zu investieren.

Adobe und Microsoft haben die Notwendigkeit nach einem Standard erkannt und entwickeln in den letzten Jahren gemeinsam das neue ‚OpenType‘ Format. Zum einem soll das Format Features der GX-Technologie beinhalten, und zum anderen sollen die Unterschiede der beiden Formate TrueType und PostScript Type 1 wegfallen.
 
 

Fazit

Welches Schriftformat und welche Technologie in Zukunft die Oberhand gewinnt, ist schwer zu beantworten. Aus den obigen Darstellungen liegt es jedoch auf de Hand, daß die Entwicklungen digitaler Schriftenformate und -technologien nicht nur von ihrer Machbarkeit und ihren Vorteilen abhängen. Vielmehr hängt ihr Erfolg von der Unterstützung der Software-Entwickler sowie von Allianzen verschiedener Unternehmen ab — je stärker und wichtiger die alliierten Unternehmen sind, umso wahrscheinlicher ist der langfristige Erfolg der entwickelten Technologie.
 
 


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