GX-Fonttechnologie

Diese Technologie ist mit der Einführung des neuen Apple System 7.5 entstanden, in dem die Systemerweiterung ‚Quick Draw GX‘ (GX = Graphical Extension) implementiert wurde. Sie stellt einen Meilenstein dar, bezüglich der Vielzahl an Optionen, die der Anwender in den Bereichen Grafik, Typografie, Satz-, Druck- und Farbtechnik bekommen hat. Die GX-Fonts stellen eine Erweiterung der beiden Fontformate TrueType und Type 1 dar. Mit den Fonts bekommt der Anwender mehr als 20 typografische bzw. satztechnische Funktionen, die teilweise neu sind, bzw. bislang mit zeitraubenden Eingriffen bei herkömmlichen Satzprogrammen verbunden waren. Für den Zugriff auf die zusätzlichen Informationen ist die Systemsoftware ‚GX Line Layout Manager‘ zuständig.

Ein Hauptvorteil der GX-Fonts ist, daß die Funktionen im Font selbst erhalten sind, wodurch der Anwender nicht mehr von programmspezifischen Satzfunktionen eingeschränkt wird. "Intelligente GX-Fonts greifen direkt und unmerklich in die Menüsteuerung eines Programms ein. Die Fonts selbst legen die angebotenen Menüoptionen fest, und da jeder Font seine eigenen Spezialitäten mitbringt ändert sich auch der fontspezifische Eintrag im Menü." 57 Desweiteren ist wichtig, daß GX-Fonts zwischen der Semantik (der Bedeutung) der Buchstaben und der grafischen Form der Zeichen unterscheidet, wodurch Textsuche und die Überprüfung der Rechtschreibung möglich bleibt. 58

Folgende Funktionen können GX-Fonts beinhalten, wobei nicht alle Fonts auch alle Funktionen unterstützen müssen:

  1. Kontextabhängiger Zeichenaustausch
  2. Form & Stilvariationen
  3. Intelligente Spationierung

 

Erweiterter Zeichensatz

GX-Fonts erlauben den erweiterten Zeichensatz — also mehr als die üblichen 256 Zeichen der TrueType und Type 1 Fonts. Dadurch ist es möglich, alternative Zeichen anzubieten — Zeichen die sich normalerweise bei Type 1 Fonts in den expert sets befinden. Der Unterschied zwischen den expert sets und den Alternativbuchstaben ist, daß der User einfach zwischen den Stilvariationen eines GX-Fonts wählen kann, die bestimmte Sprachen beinhalten, Mediävalziffern, Ligaturen oder Schwungbuchstaben. 59 Mit dem erweiterten Zeichensatz ist auch mehrsprachiger Satz möglich, da er für folgende zentral- und osteuropäische Sprachen erweitert wurde: Dänisch, Deutsch, Englisch, Faröeisch, Finnisch, Flämisch, Französisch, Isländisch, Italienisch, Kroatisch, Niederländisch, Norwegisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Spanisch, Türkisch, Tschechisch und Ungarisch. Im erweiterten Zeichensatz befinden sich zudem:

  1. Kapitälchen
  2. Alternativzeichen: Schwungbuchstaben, Schulbuchstaben, Initialbuchstaben, alternatives Design
  3. Alternative Ziffern: Mediävalziffern, Hoch-/Tiefgestellte und Ordungszahlen

 

Kontextabhängiger Zeichenaustausch

"Bisher sind alle Möglichkeiten des vielfältigen Einsatzes von Schrift vom Programm gesteuert worden. Textverarbeitungs- oder Layoutsoftware bestimmte die alternativen Optionen eines Fonts. Dies war Softwaretechnisch einfach, lies aber den Einsatz von Sonderzeichen oder alternativen Formen zu einer zeitaufwendigen Aufgabe werden." 60 Die Verankerung der Funktionen mit den Fonts beendet diese Problematik und erleichtert die Satzarbeit wesentlich, da bestimmte Satzarbeiten im mikrotypografische Bereich automatisch gesteuert werden. Folgende Funktionen sorgen z.B. für eine Verbesserung der Zeichenanbindungen bei Schreibschriften:

  1. Ligaturen: Standard, seltene
  2. Alternative Brüche: Diagonale, Vertikale
  3. Alternative Zeichen: Schwungbuchstaben, Menüzugang

 

Form & Stilvariationen

Die Form und Stilvariationen ermöglichen eine interaktive Veränderung folgender typografischen Größen:

  1. Breite
  2. Fette
  3. Kontur

 

Intelligente Spationierung

Durch die Möglichkeit der Ziffernauswahl — Tabellenziffern oder Textziffern — wird die Spationierung der Ziffern im Satz reguliert. Aus typografischer Sicht sollen Tabellenziffern gleiche Dickten aufweisen, Textziffern im Gegensatz nicht. In diesem Zusammenhang wird von dicktengleichen und proportionalen Schriften, bzw. Ziffern gesprochen. Auch das Kerning (Unterschneiden) und Tracking (Spationierung), sowie der optische Randausgleich werden mit dieser Funktion gesteuert. Insbesondere bietet das Letztere eine Neuigkeit im Bereich des Desktop Publishing, da er die Formen der Anfangsbuchstaben einer Zeile nutzt, statt die Außenbegrenzung der bounding box. 61

Funktionen der intelligenten Spationierung:

  1. Optischer Randausgleich
  2. Kerning und Tracking

Im Gegensatz zu den Multiple-Master-Schriften ist es jedoch nicht möglich, die jeweiligen Einstellungen als Schriftdateien zu speichern.
 
 

Die Entwicklung von GX

Die Entwicklung des GX Formates ist aus einem ganz bestimmten Anlaß entstanden. Apple wollte sich seine Position in dem zukünftigen asiatischen Raum sichern und für die Zukunft der Desktop-Typografie aufrüsten. Für die asiatischen Sprachen werden Schriften mit großem Zeichenvorrat bei freier Wahl der Laufrichtung benötigt sowie kontextabhängige Zeichensubstitution. 62

Linotype Library war damals eines der ersten Unternehmen das für diese Technologie großes Interesse gezeigt und mehrere Schriften im GX-Format entwickelt hat. Nachzügler wie Adobe, Bitstream, ITC und Font Bureau haben sich dann auch mit dieser Technologie befaßt und verschiedene Schriften erstellt.

Daß sich die GX-Technologie nicht richtig durchsetzen konnte, basiert auf ihrer Plattform- bzw. Systemabhängigkeit. Apple ist nicht in eine Kooperation mit Microsoft eingegangen. Demzufolge haben sich Text- und Layoutprogrammierer schwer getan, GX-fähige Programme zu entwickeln. Und ohne der Applikationen ist diese Technologie einfach nicht zu gebrauchen. Es gibt zwar weniger bekannte Unternehmen, die die GX-Funktionen in ihre Programme mit eingebunden haben — z.B. ‚UniCorn‘ von Softpress und ‚ReadySetGo‘ von Manhattan Graphics. Die großen Hersteller haben jedoch nicht mitgezogen — z.B. ‚QuarkXPress‘ und ‚PageMaker‘. Es ist nicht so lange her, daß diese Hersteller gerade mal die Plattformübergreifende Kompatibilität ihrer eigenen Dateien gewährleistet haben — wenn die GX-Technologie jedoch eine Lösung für den Mac bleibt, tritt das alte Problem der Kompatibilität wieder ein. 63

Auf den folgenden zwei Seiten werden die vielfältigen typografischen Möglichkeiten der GX-Fonttechnologie anhand der ‚ITC Bookmann‘ dargestellt.
 
 


ZURÜCK     INHALT     WEITER