Schriftklassifizierung

Um Schriften in typografischen Aufgaben ‚korrekt‘ einzusetzen, bietet es sich an, eine Klassifizierung durchzuführen. Seit dem Einsatz digitaler Schriften erschwert sich eine eindeutige Klassifizierung — vielmehr besteht aus meiner Sicht die Notwendigkeit, Schriften in verschiedene Klassen aufzunehmen. Viele Schriften entstehen heute durch Modifikationen schon vorhandener bzw. älterer Schriften, durch das Vermischen zweier oder auch mehrerer Schriften, sowie durch den Einsatz moderner Technologien.

Eine Schriftfamilie kann so z.B. folgende Schnitte beinhalten: Serifen-Schnitte, Serifenlose-Schnitte, proportionale und dicktengleiche Laufweiten-Schnitte, Expert-Set-Schnitte. Insbesondere benötigen Fonts im Multiple-Master Format mit den Schriftstil-Achsen (z.B. von serifenlos zu serifenbetont) eine Mehrfachnennung in unterschiedlichen ‚Klassen‘. In solchen Fällen ergibt sich tatsächlich die Notwendigkeit, neue/weitere Kriterien aufzusuchen, bzw. die klassische Art der Klassifizierung zumindestens in Frage zu stellen.

Aus meiner Sicht bieten sich unter anderem zwei Klassifizierungsgruppen für Schriften an. Zum einen die Klassifizierung von Schriften nach ihren gestalterisch-historischen Merkmalen und zum anderen die Klassifizierung hinsichtlich des Einsatzgebietes. Um die Problematik der Klassifizierung zu unterstreichen, zähle ich verschiedene Gruppen auf. Daß also ‚eine‘ universelle Klassifizierung gar nicht möglich ist, ergibt sich aus den oben aufgeführten Gründen. Nicht zuletzt sei auch die die Bedeutung der beschreibenden Wörter einzubeziehen. Ob ein Klassenbegriff einer Schrift entspricht oder nicht, liegt oft im Auge des Betrachters durch subjektive Wahrnehmung und durch seine Definition derselben.
 
 

Klassifizierung nach gestalterischen Merkmalen

Schon für die Klassifizierung nach gestalterischen Merkmalen, bestehen mehrere Modelle. Dabei werden die Stilformen der Epochen, in denen die Schrift entstanden ist, als Entscheidungsmerkmal herangezogen. In vergangener Zeit bestand somit eine enge Verbundenheit zwischen der Schriftform, der Kunst und der Architektur. Die unterschiedlichen Klassen bilden somit eine "… ‚Graphologie‘ der vergangenen Kulturen, …" 72

Einige Klassifikationen unterschiedlicher Organisationen und Schrifthersteller bzw. -anbieter möchte ich vorstellen.

DIN-Norm (DIN 16 518): 73

Venezianische Renaissance-Antiqua, Französische Renaissance-Antiqua, Barock-Antiqua, Serifenbetonte Linearantiqua, Serifenlose Linearantiqua, Antiquavarianten, Schreibschriften, Handschriftliche Antiqua, Gebrochene Schriften, Fremde Schriften

Überarbeitete DIN-Norm(DIN 16 518): 74

Gebrochene, Lineare, Geschriebene, Römische Serifenschriften, Serifenbetonte Schriften

ATYPI - Association Typographique International: 75

Antiqua (engl. roman), Grotesk (sans serif), Fraktur (black letter, gothic), Schreibschrift (script), Zierschrift (fancy)

FontShop 76

typografische, geometrische, amorphe, ironische, historische, intelligente, handschriftliche, dekonstruktive, Pi & Symbols

ITC - International Typeface Corporation:

Art Deco, Black, Bold, Book, Brush, Calligraphic, Cartoon, Casual, Children, Chiseled, Chrome, Classical, Compressed, Computer, Condensed, Contemporary, Copperplate, Demi bold, DesignFonts, Distressed, Elegant, Engraved, Expanded, Extended, Extra bold, Flourishes, Fun, Futuristic, Geometric, Graffiti, Grunge, Handtooled, Handwriting, Historical, Illustration, Industrial, Initials, Inline, Italic, LightMedium, Narrow, Neon, Oblique, Open, Ornaments, Outline, Patterned, Primitive, Retro, Reverse, Rough, Sans serif, Scary, Script, Serif, Shaded, Shadow, Sports, Stencil, Stonecut, Swash, Textured, Western, Wide, Woodcut

 

Panose

Eine verbreitete Klassifizierung lateinischer Schriften in der digitalen Welt, ist das Panose-System, das von Microsoft zur Definition der Fontersetzung in den Betriebssytemen genutzt wird. Das Panose-System ordnet jedem Font eine zehnstellige Nummer zu. Dabei spiegelt der Wert jeder Stelle eine bestimmte Eigenschaft des Fonts: 77

  1. Schriftart
  2. Serifenform
  3. Gewicht von Light bis Extra Black
  4. Proportionen, etwa kondensiert, expandiert, monospaced
  5. Kontrast — die Strichstärkenvariation gemessen am Buchstaben O
  6. Stroke Variation — beschreibt, wie sich die Strichstärke bei vorhandenem Kontrast ändert
  7. Arm Style — beschreibt diagonale Balken und die Abschlüsse offener runder Formen
  8. Buchstabenform — Maß für die Buchstabenrundungen, unterteilt nach aufrecht und kursiven Typen
  9. Mittellinie — charakterisiert die Lage der mittleren waagerechten Balken, zum Beispiel im E und A
  10. x-Höhe
Durch die Messung ausgewählter Buchstaben werden Werte ermittelt, aus denen sich bestimmte Verhältnisse ableiten lassen und die wiederum die entsprechende Panose-Zahl festlegen. Fonts sind sich umso ähnlicher, je weniger sich die Werte der Panose-Nummer unterscheiden. 78
 
 

Klassifizierung hinsichtlich des Einsatzgebietes

Schrift wird zur Visualisierung von Texten benötigt. Gleichzeitig hat die Wahl der Schriftgröße gliedernde und ordnende Funktion. Somit ergibt sich auch die grundsätzliche Trennung in Text- und in Displayschriften, bzw. Größen. Zur Zeit des Handsatzes, der als Ursprung für den Einsatz von Schriften, die auf einem Datenträger festgehalten sind, gelten kann, wurden Schriften in unterschiedlichen Größen bzw. Graden erstellt. Diese Grade entschieden über den Eisatz einer Schrift. Dabei sei erwähnt, daß die Schriften nicht linear skaliert wurden (wegen unterschiedlichen optischen, technischen und materialbedingten Einwirkungen) und nicht alle Größen unbedingt vorhanden waren.

Eine mögliche Faustregel: 79

Konsultationsgröße bis 7 pt
Lesegröße von 8 bis 12 pt
Auszeichnungsgrößen von 14 bis 16 pt
Schaugröße ab 18 pt
Die Wahl der richtigen Schriftgröße ist abhängig vom Format, der Textmenge, … und der optischen Wirkung, … In Kinderbüchern sollte die Grundschrift etwas größer sein: 11 bis 14 Punkt … Für overhead- und Präsentationsfolien empfiehlt sich eine Grundschrift von 14 bis 16 Punkt. 80 Solche Aufteilungen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da sie sich, in Abhängigkeit von den Eigenschaften der benutzten Schrift, vom Ausgabemedium und vielen anderen Einwirkungen unterscheiden. So wird für die Bildschirmdarstellung, wegen der niedrigen Auflösung (72 dpi), eine Lesegröße von 12 - 14 pt empfohlen.

Peter Karow z.B. unterscheidet noch zwischen Displayschriften (für Größen von mehr als 24 pt) und Posterschriften (für Größen von mehr als 100 pt). Beim Einsatz dieser Größen ist eine Überarbeitung der Schrift hinsichtlich der Strichstärken, der Umlaute, der Spationierung und des Durchschusses notwendig.


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Abb. 4.2-1
Insbesondere müssen die Umlaute der Display- bzw. Posterschnitte überarbeitet werden, um somit den Durchschuß geringer halten zu können. 81


 


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