OpenType

Das OpenType-Format wurde in Kooperation zwischen Microsoft und Adobe entwickelt. Es stellt eine Erweiterung des TrueType Open Schriftformats von Microsoft dar. Der Wunsch der Entwickler ist, daß sich dieses Format nicht nur für die Einbettung von Schrift in Webdokumente eignet, sondern auch neue typografische Features allen anderen Publishing-Bereichen bietet. Gleichzeitig soll es ein plattformunabhängiges Format darstellen, worauf die Typo-Szene schon seit Jahren wartet. Auf der einen Seite vereinfacht sich die Fontbenutzung durch das Einschließen von Type 1 und TrueType Fonts in einem gemeinsamen Container. Auf der anderen Seite verkompliziert sie sich durch die vielfältigen Features, die OpenType bietet. Für Typografen ist diese Entwicklung sicherlich von großem Nutzen. Ob jedoch der Ottonormal-Verbraucher sich mit diesen vielfältigen Möglichkeiten auseinandersetzen wird, bleibt zu sehen.

Im Unterschied zu TrueDoc, stellt OpenType nicht nur einen Transport-Mechanismus dar, sondern auch ein quasi ‚neues‘ Schriftformat — wenngleich aufgebaut von den Formaten Type 1 und TrueType. Neben den Grundinformationen — Tabellen mit unterschiedliche Datentypen: Umrißlinien der Zeichen, die Metrik, Bitmaps, Belegungs-Informationen und vieles mehr — beinhaltet dieses Format weitere Informationen für fortgeschrittene Typografie.
 
 

OpenType-Tabellen

Das Format besteht aus einem Container in dem TrueType und Type 1 Schriften integriert sind und aus fünf Tabellen: 52

  1. GSUB (Glyph Substitution Tabelle)
    beinhaltet Informationen zur Zeichensubstitution: einfache Zeichensubstitution, eins-zu-mehreren Zeichensubstitution(Ligaturen-Dekomposition), ästhetische Alternativbuchstaben, multiple Zeichensubstitution (Ligaturen) und kontextabhängige Zeichensubstitution,
  2. GPOS (Glyph Positioning Tabelle)
    beinhaltet Informationen über die x und y Positionierung der Zeichen: Stellung einzelner Zeichen, Stellung gepaarter Zeichen, kursive Anhängung, Anhängung zur Markierung und kontextabhängige Zeichen-Positionierung,
  3. BASE (Baseline Tabelle)
    beinhaltet Informationen über den Grundlinien-Ausgleich in Abhängigkeit von der jeweiligen Weltschrift,
  4. JSTF (Justification Tabelle)
    beinhaltet Informationen über die Justierung, sowie den Weißraum und die Kashida-Stellungen
  5. GDEF (Glyph Definition Tabelle)
    beinhaltet Informationen über alle individuelle Zeichen eines Fonts: Buchstaben (einfache Zeichen, Ligaturen oder zusammengesetzte Zeichen), Anhängungspunkte (falls vorhanden) und Einschaltungszeichen bei Ligaturen.


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Abb. 3.7-1
Aufbau des OpenType-Containers

Diese Tabellen enthalten somit wichtige typografische Informationen für eine korrekte Zeichenpositionierung und -substitution und sind nach Scripts, nach Sprachsystemen, nach typografischen Features und nach Lookup Tabellen organisiert.

Ein Script ist eine Ansammlung von Zeichen, mit denen eine oder mehrere Sprachen in Schriftlicher Form dargestellt werden. So wird im Englischen, Französischen, Deutschen und in einigen anderen Sprachen eine einzige lateinische Schreibweise benutzt. Im Gegensatz dazu benutzt das Japanische drei Schreibweisen: Hiragana, Katakana und Kanji. Mit den OpenType Tabellen können diese multiplen Schreibweisen von einem Fonts unterstützt werden.

In Abhängigkeit vom Sprachsystem kann sich die Funktion bzw. die Darstellung eines Zeichens ändern. Das ‚ß‘ wird z.B. in der deutschen Sprache benutzt, nicht jedoch im Französischen oder Englischen. Ähnliches gilt auch im Arabischen für bestimmte Zeichen. Im OpenType Layout werden deshalb die Sprachsysteme innerhalb der Scripts definiert. Gleichzeitig definieren die unterschiedlichen Sprachsysteme Features, mit denen die typografischen Regeln der Zeichenbenutzung für die jeweilige Sprache festgelegt werden.

Die Features selbst befinden sich in den Lookup-Daten, auf die ein Textverarbeitungsprogramm zugreift, um die Zeichensubstitution und -positionierung festzulegen. Diese Daten beschreiben Zeichen, die durch Einwirkung einer bestimmten Operation entstehen, durch die die Art der Operation und letztendlich das Aussehen des Zeichens bestimmt wird.

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Abb. 3.7-2
Aufbau der Beziehungen zwischen Scripts, Sprachsystemen, Features und Lookups für die Tabellen zur Substitution und Positionierung

 

OpenType-Features

Eine ganze Reihe an typografischen Features kommen mit OpenType hinzu: 53

  1. spezielle Kerninginformationen
  2. besondere Ligaturen für lateinische- und nichtlateinische Zeichensätze
  3. Kapitälchen
  4. Funktionen zur automatischen Zeichensubstitution
  5. Unicode-Unterstützung

Des weiteren: 54

  1. Zeichenpositionierung
  2. Grundlinienausgleich bei mehrsprachige Schriften
  3. Ersetzende Positionierung
  4. Zeichenklassifikation und -anhängung
  5. Zeichensubstitution (Kapitälchen, Schwungbuchstaben, Medievalziffern, usw.)
  6. Definition der Ligaturen und ihre Dekomposition
  7. Anhang der Akzente für mehrsprachigen Satz
  8. Spezifikationen für die Ausrichtung
  9. Kontextabhängiges Kerning für Buchstabenpaare/-klassen

Wie schon erwähnt, enthält OpenType entweder nur Type 1 Umrißlinien, nur TrueType Umrißlinien, oder beide. Die Type 1 Daten können mit einem Interpreter gerastert werden (z.B. ATM), oder sie müssen in TrueType-Daten verwandelt werden, um als TrueType gerastert werden zu können. Die Rasterung selbst hängt von dem im System verfügbarem Interpreter, sowie den jeweiligen Einstellungen ab. Neben der guten Benutzbarkeit im Print- und im Non-Print-Bereich, bietet diese Format auch noch drei Schutzmechanismen — Verschlüsselung, Subsetting und Datenkompression, die insbesondere im Bereich des elektronischen Publizieren für das Internet und das ‚WorldWideWeb‘ von großer Bedeutung sind. Desweiteren wird noch die ‚digitale Signatur‘ eingesetzt, die einen limitierten Schutz für die Daten bieten soll. Dadurch sollen die Dateien im Sinne der Überarbeitung bzw. Veränderung geschützt werden — nicht jedoch im Sinne ihrer Kopierbarkeit. Beim Subsetting handelt es sich um die Integration von nur den tatsächlich benutzten Zeichen einer Schrift mit dem Dokument. 55 Speziell für die Kompression der Schriftdaten entwickelt Adobe ein separates Format — das CFF (Compact Font Format) — welches eine Kompressionsrate von ca. 40 Prozent erlauben soll. 56

Im OpenType werden folgende Daten der TrueType und der Type 1 Schriften vereinheitlicht:

  1. Tabellen der Zeichenbelegung
  2. Tabellen der Zeichenadressierung
  3. Tabellen der Metrik und der Unterschneidungen
  4. Tabellen der Schrift- und Zeichenbezeichnung
  5. eingebettete Bitmap-Tabellen

Unterschiedlich hingegen bleibt folgendes:

  1. TrueType behält seine quadratische Umrißlinienbeschreibung mit dem mächtigen (aber komplizierten) Hinting
  2. Type 1 behält seine kubische Umrißlinienbeschreibung mit dem etwas schwächeren (aber einfacheren) Hinting
  3. die Philosophie der Aufrasterung bleibt für die zwei Formate unterschiedlich wie bisher

Der volle Umfang des OpenType-Format wird jedoch erst von der PostScript-3-Geräten unterstützt, für die spezielle Treiber benötigt bzw. entwickelt werden. Es wurde vorgesehen, daß OpenType durch Erweiterungen für ‚NT4‘ und ‚Windows 98‘ bereitgestellt, sowie im ‚NT5‘ voll integriert wird.
 
 


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