Multiple-Master

Die Multiple-Master-Technologie basiert auf den Type 1 Fonts. Die Grundlage dieser Fonts bilden Referenz-Fonts, die sogenannten Multiple Masters, die gleichzeitig die Achsen bilden. Aus den Masters werden weitere Schnitte (engl. Instances) durch Interpolation erstellt. "Dabei gilt es zwischen der Grundschrift (base font, z.B. TektonMM) und den einzelnen Primärschnitten (primary instances, z.B. Tekton_240 RG 564 NO) zu unterscheiden. Obwohl Grundschrift und Primärschnitte im AMT als normale Fonts erscheinen, gibt es doch einen entscheidenden Unterschied: Die PFB_Datei mit den Zeichenbeschreibungen wird nur für die Grundschrift installiert. Sie ist je nach Anzahl der Designachsen ca. 80 bis 160 KB groß. Den Primärschnitten sind nur die ca. 200 Byte großen PSS_Dateien zugeordnet. Diese PostScript ‚stubs‘ (Stummel) enthalten keine Zeichenbeschreibungen, sondern nur einen Verweis auf die zugehörige Grundschrift und die MM-Parameter für den jeweiligen Schnitt." 50

Vier Achsen können auf einem Koordinatensystem liegen, erlauben das Verändern der Schrift innerhalb von Extremwerten und behalten somit auch die Proportionen dieser Schrift. Folgende Merkmale können verändert werden:

  1. die Strichstärke von leicht zu fett
  2. die Laufweite von schmal zu breit
  3. die optische Größe — Anpassung des Schriftcharakters an die Schriftgröße
  4. der Schriftstil — z.B. von serifenlos zu serifenbetont.

Der Schriftstil kann jedoch auch andere Elemente beinhalten, und nicht alle Schriften unterstützen auch alle vier Achsen. Diese Entscheidung hängt vom grundlegenden Stil der Schrift bzw. vom Schriftgestalter ab. Auch die Anzahl der Masters, die zu erstellen sind, sei dabei zu beachten. Mit jeder Erhöhung der Achsenanzahl verdoppelt sich die Anzahl der Masters, die der Schriftgestalter herstellen muß. Eindimensionale MM-Fonts benötigen 2 Extreme (Masters), zweidimensionale benötigen schon 4, dreidimensionale 8 Masters und vierdimensionale (das theoretische Maximum) 16. 51 Die Variationsfähigkeit der Multiple-Master ist von der konsequenten Numerierung der Stützpunkte während der Herstellung abhängt, um weiche Zwischenschnitte der Zeichen interpolieren zu können.

Die ‚Myriad‘ ist eine zweidimensionale Multiple-Master Schrift mit normalem und kursivem Schnitt. Betrachtet wird zuerst der normale Schnitt. Vier Extremschnitte bilden die Eckpfeiler der Strichstärken- und der Laufweiten-Achsen. Die Strichstärken haben Werte von mager (215) bis fett (830) — macht 615 unterschiedliche Strichstärken. Die Laufweiten haben Werte von sehr schmal (300) bis extra breit — macht 400 unterschiedliche Laufweiten. Insgesamt sind also 246 000 Schnitte errechenbar. Wird diese Zahl mit zwei multipliziert (für die Kursivschnitte), ergeben sich schon fast eine halbe Million Schnitte! Die ‚Myriad‘ hat zwischen den Extremschnitten noch weitere fünfzehn Primärschnitte um eine bessere Interpolation zu erlauben. Alle anderen Schnitte können ‚on the fly‘ erstellt werden und im Gegensatz zu den GX-Fonts auch abgespeichert werden. Wobei, wie schon beschrieben, nicht Fonts im herkömmlichen Sinn erstellt werden. Vielmehr bilden sie Verweise auf die Grundschrift und die MM-Parameter.

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Abb. 3.6-1
Achsenaufbau der MM-Myriad und ihte Primärschnitte.

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Abb. 3.6-2
Mit Schiebereglern kann der Benutzer Schnitte ‚on the fly‘ erstellen

Noch beeindruckender ist die Variationsvielfallt der Multiple-Master Schrift ‚Kepler‘ (von Robert Slimbach). Sie beinhaltet mit ihren drei Achsen (Strichstärke, Laufweite und optische Größe) in aufrechten und italic-Schnitten insgesamt 16 750 000 Varianten.
 
 

Adobe Sans MM & Adobe Serif MM

Erwähnt werden muß bei der MM-Technologie auch die Nachahmung von Schriften, die nicht im System verfügbar sind. Sie erfolgt auf der Basis von zwei MM-Schriften (‚Adobe Sans MM‘ und ‚Adobe Serif MM‘ )und einer Datenbank (‚Font Database‘), in der Werte für die Lauflänge regulärer Schriften abgelegt sind. Somit wird eine annähernd treue Wiedergabe des Schriftbildes ermöglicht. Diese MM-Schriften werden nur im Zusammenhang mit dem Acrobat Reader und den PDF-Dateien (Portable Document Format) benutzt. Sie stellen keine Fonts im herkömmlichen Sinn dar und können somit z.B nicht im Schriftmenü aufgerufen werden. Jedoch versichert auch der Einsatz dieser Technologie nicht den hundertprozentigen Datenaustausch. Die MM-SansSerif und MM-Serif ahmen nur den textuellen Teil nach. Wurden jedoch Pi-Fonts oder nicht lateinische Schriften benutzt und nicht in die Datei eingebettet, können diese nicht dargestellt werden.
 
 


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