Entwicklung der Schrift

Die Schrift, bzw. das Alphabet wie wir es heute kennen, hat sich durch Jahrtausende gewandelt. Dieser Wandel fand durch die Entwicklung und die gegenseitige Beeinflussung der Schrift und der Schreib-, Satz-, bzw. Drucktechniken statt. Die enge Verbindung zur Architektur sollte dabei jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Um die Entwicklung der heutigen Schrifttechnologien mit ihren Eigenschaften besser nachzuvollziehen, gehe ich auf einige Gesichtspunkte ein.
 
 

Das Alphabet

Das griechisch-lateinische Alphabet stellt ab dem ersten Jahrtausend v. Chr. die wichtigste Entwicklung der Schriftfixierung im westlichen Teil Europas dar. Sie wird als Ausgangsschrift der slawischen Schriftentwicklung und als Stammalphabet aller abendländischen Schriftarten betrachtet. Den Ursprung bildet das phönizische Alphabet, welches mit 22 Konsonanten und einigen sogenannten Halbkonsonanten (Vorläufer unserer Vokale) auskam. Dieses Alphabet wurde dann von den alten Griechen komplett übernommen und sie erweiterten es noch um weitere vier Zeichen. 7

Die Zeichenformen der griechischen Capitalis basieren auf einfachen geometrischen Figuren wie Quadrat, Dreieck und Kreis und deren Abwandlungen. Und obwohl sie im Text eine gleichmäßige Kette mit kontrastreicher Wirkung bildeten, basierte sich das Lesen der Texte auf dem Buchstabieren — es fand noch keine Worttrennung statt. Diese Trennung wurde zu Beginn des römischen Imperiums (ca. 100 n. Chr.) eingeführt. Wörter und Sätze wurden durch feine Interpunktionen getrennt, was das Erfassen von Sinneinheiten etwas erleichterte. Die Entstehung von Serifen wird auch der ‚Capitalis Monumentalis‘ (die klassische römische Steinschrift) zugeschrieben. Durch sie bekamen die Buchstaben einen besseren Halt innerhalb der Zeilenordnung und führten das Auge beim Lesen. Diesem Inschriftenalphabet folgten drei weitere Schriften: die Quadrata, die Rustica und die Kursive. 8
 
 

Vom Groß- zum Kleinbuchstaben

Die Tatsache, daß wir heute Groß- und Kleinbuchstaben (Versalien und Gemeinen) verwenden, hat natürlich historische Gründe. Es sei dabei bemerkt, daß die Kleinbuchstaben eine Abwandlung der Großbuchstaben darstellen. Die lateinische Großbuchstabenformen wie sie heute dargestellt werden, haben ihren Ursprung in der ‚Römischen Capitalis‘ (Großbuchstaben werden deshalb auch als Kapitalbuchstaben bezeichnet), die für die Beschriftung an Palästen eingesetzt wurde. Das Meißeln auf Stein erschwerte dabei die Gestaltung runder Formen. Der Formenablauf von monumentalen Geraden zu Rundungen bzw. zu Kleinbuchstaben ergab sich durch schnelleres Schreiben (neue Schreibinstrumente und Unterlagen), sowie durch die Vereinfachung der Gesten. Leicht erkennbar ist dies bei den Buchstaben A a, E e, M m, T t (Abb. 1.2-1). Gleichzeitig entstanden neue typografische Elemente wie Ober- und Unterlängen, die für eine klare Identifizierung der vereinfachten Kleinbuchstabenformen sorgen und uns beim Lesen die ‚Wortbilder‘ leichter erfassen lassen. Typische Beispiele hierfür sind b, d, p, q sowie h und n. Es sei noch bemerkt, daß nicht alle Buchstaben den selben jahrhundertelangen Wandel vom Groß- zum Kleinschreiben durchgemacht haben. Buchstaben wie K k, W w, Y y, X x und Z z wurden später von verschiedenen Sprachen direkt aus ihren monumentalen Formen des griechischen und römischen Alphabets übernommen. Deshalb differenzieren sie sich in ihrer Form auch kaum. 9


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Abb. 1.2-1
Veränderungen der Majuskeln in Minuskeln

 

Kalligrafie

Bei der Kalligrafie kommt die Feder als Schreibinstrument zum Einsatz. Durch die Stärke des Aufdrückens sowie die Federstellung (den Neigungswinkel) wirkt sich die Formgebung aus. Somit ergibt sich auch die Erklärung für die unterschiedlichen Strichstärken der horizontalen und vertikalen Striche sowie der Auf- und Abstriche. Diese Eigenschaften wurden für die späteren Antiqua-Schriften übernommen. Gleichzeitig stellt sie durch ihren Neigungswinkel den Ausgangspunkt für die kursiven Schnitte dar.
 
 


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