Typografische Größen


 

Maßsysteme

So wie es von Land zu Land verschiedene Währungssysteme gibt, haben sich auch in der langen Geschichte der Typografie unterschiedliche Maßsysteme herausgebildet." 29 Aus der Zeit des Bleisatzes stammt die Größenbezeichnung für Schriften. Sie wurde in typografischen Punkten gemessen. Dabei wurde zwischen ‚Didot‘- und ‚Pica‘-Punkten unterschieden. Mit dem DTP-Einsatz hat sich der Pica-Punkt durchgesetzt, der sich am amerikanischen Inch-System orientiert. 30

Der Didot-Punkt leitet sich vom französischen ‚Pied du Roi‘ (dem königlichen Fuß, ca. 32,4 cm) ab und wurde von P. S. FOURNIER entwickelt und von F. A. DIDOT abgestimmt, wurde dann 1973 wegen besserer Umrechnung aufgerundet:

1 Didot-Punkt = 0,376 mm (alt)
1 Didot-Punkt = 0,375 mm (neu)
12 Punkt = 1 Cicero = 4,5 mm

Der DTP-Punkt leitet sich vom 72sten Teil eines Inch ab (1 Inch = 25,4 mm) und wird von den meisten DTP-Programmen verwendet.

1 Pica-Point (auch DTP-Punkt)= 0,352 mm
12 Pica-Points = 1 Pica
72 Pica-Points = 6 Pica = 1 Inch

"Der besseren Unterscheidbarkeit wegen wurden den Kegeln Namen gegeben, die sich häufig auf die mit ihnen gesetzten Werke bezogen." 31

1 Punkt = Achtelpetit
2 Punkt = Non plus ultra
3 Punkt = Brilliant
4 Punkt = Diamant
5 Punkt = Perl
6 Punkt = Non Pareille
7 Punkt = Mignon
8 Punkt = Petit
9 Punkt = Borgis
10 Punkt = Garmond
11 Punkt = Brevier
12 Punkt = Cicero
14 Punkt = Mittel
16 Punkt = Tertia
18 Punkt = Paragon
20 Punkt = Text
24 Punkt = 2 Cicero, Doppelcicero
36 Punkt = 3 Cicero, Kanon
48 Punkt = 4 Cicero, Konkordanz
72 Punkt = 6 Cicero, Sabon

 
 

Der Schriftgrad

Der Schriftgrad (Kegelhöhe oder Kegelstärke) bezeichnet die Größe einer Schrift. Welcher Schriftgrad beim Satz benutzt wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Aus typografischer Sicht hängt der Schriftgrad davon ab, ob eine Gliederung von Texten beabsichtigt ist, ob sie als Gestaltungsmittel eingesetzt werden, welches Medium benutzt wird, usw. Aus Schriftgestalterischer und technischer Sicht ist jedoch anderes ausschlaggebend.

Im Bleisatz hing der Schriftgrad von der Größe des Bleikegels ab, auf den die Schrift gegossen wurde. Während die Kegelstärke für einen bestimmten Grad und innerhalb eines Maßsystems für alle Schriften gleich ist, trifft dies für das Schriftbild nicht zu. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Unterschiedliche Schriften haben unterschiedlich lange Ober- oder Unterlängen, unterscheiden sich in der Versalhöhe, in der x-höhe, oder haben unterschiedliche Schriftlinienstellungen (Abb. 2.3-1) 32. Diese Unterschiede haben ihre Begründung in der unterschiedlichen Gestaltung und in den eingesetzten Technologien, welche die Schrifthersteller für die Erstellung einer Schrift benutzen. Wie schon früher dargestellt, weisen selbst gleichnamige Schriften gewisse Diskrepanzen auf (-> Abb. 2.1-1, 2.1-2, 2.1-3).


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Abb. 2.3-1
Unterschiedliche Schriften im gleichen Schriftgrad
unterschiedlicher Schriftbild-Höhe

 

Die Laufweite

Die Laufweite richtet sich im wesentlichen nach der Punze, bzw. nach dem Innenraum zwischen zwei Grundstrichen des ‚m‘ oder ‚n‘. Je kleiner oder schmaler er ist, desto kleiner wird auch die Laufweite. Daraus ergibt sich die Regel, daß schmale und fette Schriften enger zusammenstehen, breite und magere weiter auseinander (Abb. 2.3-2). Beim Satz von Versalbuchstaben sollte der Zwischenraum dazu etwas vergrößert werden, da sie größere Innenräume aufweisen.


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Abb. 2.3-2
Laufweiten unterschiedlicher Schriften

Beim Bleisatz haben sich die Proportionen einer Schrift mit der Schriftgröße verändert — insbesondere was die Strichstärke und die Laufweite angeht. Dies ist bei den meisten digitalen Outline-Fonts nicht der Fall. Daraus folgt, daß bei Nichtanpassung der Laufweite an die Schriftgröße, das Schriftbild zerrissen erscheint. Besonders deutlich erscheint dies, wenn die Outline-Fonts in verschiedenen Größen dargestellt werden. Meistens stimmt die Laufweite einer Brotschrift bei 8-10 pt (also Lesegröße). Wird die Laufweite bei anderen Graden nicht verändert, verschlechtert sich die Lesbarkeit. Die Multiple-Master-Technologie bietet hierfür mit ihrer optischen Achse Abhilfe, wobei jeder Schnitt eine eigene Laufweite und ein eigenes Schriftbild aufweist.


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Abb. 2.3-3
Unterschiedliche Laufweiten und Schriftbilder, bzw. Strichstärken
in Abhängigkeit vom Schriftgrad

 

Der Buchstabenzwischenraum

Buchtabenzwischenraum von den Formen der jeweiligen Buchstaben, inklusive ihrer Vor- und Nachbreiten bestimmt. (siehe Abb. 2.2-5) Durch das simple Aneinanderreihen entstehen im Text somit oft größere Weißräume bzw. Lücken, welche die Lesbarkeit beeinflussen. Deshalb müssen die Abstände in solchen Fällen bearbeitet werden. Hierfür werden bei den meisten digitalen Fonts Unterschneidungswerte mitgeliefert, wobei diese Werte bei einigen Layoutprogrammen mit Unterschneidungs- und Spationierungstabellen vom User verändert werden können (worauf ich weiter unten im Text noch eingehe).


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Abb. 2.3-4
Oben unkorrigierter, unten korrigierter Buchstabenzwischenraum

 

Der Wortzwischenraum

Der Wortzwischenraum hängt in der Regel mit der Laufweite einer Schrift sowie dem Buchstabenzwischenraum zusammen. Im klassischen Werksatz machte der Wortzwischenraum ein Drittel des Gevierts aus. Bei kleineren Schriftgraden (Konsultationsgrößen) wird ein Halbgeviert benutzt, damit die Wörter nicht zusammenlaufen. Bei größeren Schriftgraden, sowie bei schmalen und fetten Schriften, sollte der Wortzwischenraum verkleinert werden. Beim Wortzwischenraum muß jedoch aus mikrotypografischer Sicht beachtet werden, daß die jeweiligen Anfangs- und Endbuchstaben aufeinanderfolgender Wörter unterschiedliche Vor- und Nachbreiten, bzw. Weißräume aufweisen. Um optische Einheitlichkeit der Zwischenräume zu erzeugen, müssen sie möglicherweise verkleinert werden.
 
 

Spationierung

Mit der Spationierung wird die Laufweite einer Schrift verändert. Bei traditionellen Schriften, bzw. dem Bleisatz, bestimmte der Schriftgestalter die optimale Laufweite einer Schrift für jeden Grad einzeln. Der Bleikegel auf dem sich das Schriftbild befindet, stellte gleichzeitig die physische Begrenzung der Lettern dar, folglich war nur eine Vergrößerung (wenn überhaupt notwendig) der Laufweite möglich. Durch die Entwicklung der elektronischen Satzgeräte (Fotosatz), ist die physische Begrenzung der Lettern weggefallen und ermöglichte somit auch das Verkleinern der Laufweite.

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Abb. 2.3-5
Oben ohne, unten mit Spationierung.


 

Unterschneiden

Diese Problematik und der Begriff dazu stammen auch ursprünglich aus der Zeit des Bleisatzes — das Unterschneiden (Kerning). Dabei mußten Setzer Teile der Bleilettern abschneiden, um sie näher aneinander rücken zu können. Bei digitalen Schriften werden hierzu sogenannte Unterschneidungstabellen (auch Ästhetiktabellen) benutzt. Sie beinhalten in der Regel negative Korrekturwerte für wichtige Buchstabenpaare, z.B. AT, AV, Ya, T., LV, usw. Professionelle Schrifthersteller haben für jeden Schriftschnitt separate Tabellen, die mitunter tausende von Werten haben. Bei 100 Zeichen sind das 100 x 100 = 10 000 Paare je Schnitt. 33


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Abb. 2.3-7
Unterschneidungswerte der Linotype Ergo Demi Bold in Prozenten vom Geviert.

 

Zeilenabstand

Der Zeilenabstand ist eine weitere wichtige typografische Größe, mit der die Lesbarkeit eines Textes beeinflußt wird. Er ist die Distanz zwischen zwei Schriftlinien/Grundlinien. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen kompreßem und durchschossenem Satz — Satz ohne und mit zusätzlichem Zwischenraum. Wird kompreß gesetzt, spricht man auch vom optischen Zeilenabstand, der vom Schriftgestalter selbst während der Gestaltungsarbeit mit einberechnet wird. Qualitativ hochwertige Schriften benötigen somit, beim Satz in bestimmten Graden, keine Änderung des Zeilenabstandes.

Beim Bleisatz benutzte man sogenannte Regletten, sowie Durchschußstücke und Quadrate zur Vergrößerung der Zeilenabstände. Beim Werksatz wird die Höhe der Mittellänge/x-Höhe, bzw. ein Drittel der Kegelgröße/Schriftgröße als genügende Durchschußgröße empfunden.

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Abb. 2.3-8
Links: Kompreß-satz mit unterschiedlicher Höhe des
‚optischen Zeilenabstandes‘ bei unterschiedlichen Fonts
Rechts: Durchschossener Satz

Bei unterschiedlichen Anwendungsprogrammen kann dieser Zeilenabstand verschiedenartig manipuliert werden:

  1. durch Eingabe eines festen Wertes: 12 pt (oder andere Einheiten) — der Abstand zwischen zwei Grundlinien beträgt 12 pt
  2. durch Eingabe eines prozentualen Wertes: 120% — der Abstand zwischen zwei Grundlinien beträgt 120% des Schriftgrades, bzw. der Durchschuß beträgt 20% des Schriftgrades.
  3. durch Eingabe des Wertes: auto — der Abstand zwischen zwei Grundlinien hängt von den jeweiligen Voreinstellungen des Anwendungsprogramms ab. Sollte möglichst vermieden werden, um Neuumbrüche auf verschiedenen Rechnern zu vermeiden.

Auch beim Festlegen des Zeilenabstandes gelten ähnliche Regeln wie für den Wort- bzw. Buchstabenzwischenraum. Breite und magere Schriften brauchen einen größeren Zeilenabstand, schmale und fette einen kleineren.
 
 


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